27. Februar 2025
Jetzt ist offiziell: Christian Lindner ist Deutschlands frechster Arbeitsloser. Zeit für einen politischen Nachruf von seinem größten Hater.
Christian Lindner am Tag nach der Bundestagswahl, Berlin, 24. Februar 2025.
»Es ist überhaupt nicht lustig!«, findet Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Aber ein bisschen Schadenfreude muss erlaubt sein: Während die Linkspartei am vergangenen Sonntag einen Triumph einfuhr und das Ergebnis der letzten Wahl beinahe verdoppelte, brach die FDP katastrophal ein. 4,3 Prozent besiegelten das erneute Ausscheiden der Liberalen aus dem Bundestag. Und damit endet eine der bemerkenswertesten Karrieren der bundesdeutschen Politik: Christian Lindner ist mit gerade einmal 49 Jahren ganz offiziell Deutschlands frechster Arbeitsloser. Für mich als einen seiner größten Hater ist es Zeit für einen politischen Nachruf.
Niemand hat den Neoliberalismus hierzulande so gut verkörpert wie der 1979 in Wuppertal geborene Christian Lindner. Schon im Alter von achtzehn Jahren sieht er aus wie Patrick Bateman aus American Psycho – im Anzug und mit Aktentasche, geschniegelt und gestriegelt. Stolz erklärt er 1997 im Fernsehen, dass er bereits mit 14 seine politische Heimat in der FDP gefunden habe. Im selben Interview fällt dann sein bekanntestes Motto: »Probleme sind nur dornige Chancen.«
Lindner passt perfekt in diese Zeit, in der auch SPD und Grüne dem Neoliberalismus verfallen. Während Gerhard Schröder und Konsorten das Land regieren, sammelt er seine ersten unternehmerischen Erfahrungen: Er versucht sich als Berater, im Stromhandel und in der New Economy. Nachdem die Dotcom-Blase platzt, setzt seine Internet-Firma Moomax zwei Millionen Euro in den Sand. Aufkommen darf größtenteils der Steuerzahler, denn 1,4 Millionen Euro stammten von der staatlichen Förderbank KfW. Vater Staat, den Christian Lindner bald hauptberuflich verteufeln wird, kommt für seine unternehmerische Unfähigkeit auf.
Danach bleibt er lieber bei der Politik. Auch diese Karriere verläuft rasant: Vom Landtags-Abgeordneten in NRW steigt er zum Generalsekretär der FDP auf – und wird 2013 Bundesvorsitzender. Nach der Wahl, in der die FDP zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik aus dem Parlament ausscheidet, übernimmt er das Ruder und bringt seine Partei mit Charisma und Wortgewalt zurück in den Bundestag.
Wie intrigant er sein kann, das zeigt er erst nach dem Erfolg: Ohne Vorankündigung lässt er die Jamaika-Koalitionsverhandlungen platzen und erklärt der Öffentlichkeit: »Es ist besser nicht zu regieren, als falsch zu regieren.«
»Der vielleicht kälteste Politiker der Republik, der permanent nach rechts blinkte und dabei die Freiheit im Munde führte – er ist nun endlich in Rente.«
So einen Stunt kann man zwar einmal bringen, aber nicht zweimal. Nach den Bundestagswahlen 2021 muss Lindner regieren und tritt in die Ampel-Koalition ein. Auch hier spielt er ein doppeltes Spiel: Einerseits gibt er sich staatsmännisch und mimt den kompetenten Finanzminister, andererseits führt er sich ob der niedrigen Umfragewerte auf wie ein Oppositionsführer, der mit der Regierung nichts zu tun hätte. Als Belohnung für diese Intrigen wird er vom Bundeskanzler entlassen – und unterliegt in der offenen Feldschlacht.
Nun, am Ende seiner politischen Laufbahn, zeigt er sich einsichtig: »Es ist eine schwere Niederlage für die FDP, aber hoffentlich ein Gewinn für Deutschland.« Ja, ein Gewinn ist das sicherlich. Der vielleicht kälteste Politiker der Republik, der wie kein anderer für Demagogie gegen Erwerbsarme und Klientelpolitik für Reiche stand; der permanent nach rechts blinkte und dabei die Freiheit im Munde führte – er ist nun endlich in Rente. Dort wird er es sich auf Steuerzahlerkosten gutgehen lassen: Nach drei Jahren als Minister und zwölf Jahren im Bundestag dürfte er weich fallen. Und wir dürfen gespannt sein, welche Kontakte er als Finanzminister »geknüpft« hat, und in welchen Aufsichtsräten er demnächst »zufällig« sitzt. Nun aber genießen wir den Augenblick. It’s time to say goodbye!
Ole Nymoen betreibt den Wirtschaftspodcast Wohlstand für Alle und ist Kolumnist bei JACOBIN.